500 jähriges Jubiläum der Reformation – Beitrag der Familie zu 2017 Locarno Città europea della Riforma
Die drei untenstehenden Texte zur Geschichte der Familie als Glaubensflüchtlinge der Reformation sind Beiträge der Veranstaltungen «2017 Locarno Città europea della Riforma». Anlass dazu war das 500 jährige Jubiläum der Reformation (1517).
Inaugurazione dell’esposizione sulla Riforma >>pdf
Venerdì 15 settembre 2017, 18h00 Castello Visconteo di LocarnoTAVOLA ROTONDA >>pdf
Sabato 16 settembre 2017, 09h00 – 12h00 Palazzo dei Congressi, MuraltoInaugurazione della Piazzetta dei Muralti >>pdf
Sabato 23 settembre 2017, 10h30 – 12h00 Piazzetta dei Muralti
Die Muralt - Zum Selbstverständnis einer Familie
Begünstigt durch gewisse Mißstände in der katholischen Kirche hatte jene große geistige Bewegung, der in Zürich ein Zwingli und in Genf ein Calvin zum Durchbruch verholfen hatte, auch in dem enetbirgischen Locarno Widerhall gefunden. Der Tessiner Giovanni Beccaria wurde zum Begründer einer kleinen evangelischen Gemeinde, zu der sich neben Bürgern und Bauern auch verschiedene Capitanei bekannten. Die evangelische Gemeinde blieb während rund 8 Jahren unbehelligt, obschon sie dem Bischof von Como aber auch dem Nuntius in Mailand ein Dorn im Auge war. Es war dies dem glücklichen Umstand zu verdanken, daß der Glarner Landvogt Joachim Bäldi der gepredigten Lehre wohlgesinnt war. Sein Nachfolger, der Unterwaldner Niklaus Wirz, hingegen war ein eifriger Katholik.
Mit der provokativen Haltung der Evangelischen, - wie sie genannt wurden -, die nicht nur die Messe ostentativ verließen, sondern auch die Beichte und das Fasten verweigerten, gestaltete sich die Lage immer kritischer. Im darauf folgenden Hin und Her zwischen den katholischen Orten und den evangelischen Städten, von denen es Basel, Bern und Schaffhausen nicht zu einem Bruch kommen lassen wollten, stand Zürich zuletzt allein da. Den Anhängern der neuen Glaubenslehre blieb somit nichts anderes übrig als die Rückkehr zum angestammten katholischen Glauben oder aber die Auswanderung. Man ließ die Evangelischen in Locarno jedoch nicht gerne ziehen; denn unter ihnen befanden sich neben einigen Gelehrten verschiedene tüchtige und geschätzte Geschäftsleute, Krä-mer und Händler. Auch der Kirche war dieser Auszug durchaus nicht gleichgültig. Der päpstliche Nuntius tat alles, um den Abtrünnigen die Folgen ihres Glaubenswechsels in den schwärzesten Farben zu schildern und verschiedene Evangelische ließen sich dazu bewegen, wieder in den sicheren Schoß der katholischen Kirche zurückzukehren.
Standhafter als viele Männer verhielten sich einige Frauen, die froh sein mußten, mit heiler Haut davonzukommen. Unter ihnen Barbara Muralta, die Frau des Chirurgen Johannes de Muralto, die sich durch ihr mutiges Auftreten gegenüber dem päpstlichen Legaten Ottaviano Riverta, Bischof von Terracina, hervorgetan hat. Eine lapidare Amtsnotiz zu diesem Vorfall ist später, vermutlich zu Beginn des 17. Jahrhunderts, zu einer hübschen Legende ausgesponnen worden, die selbst der kritische Forscher Ferdinand Meyer in seine Geschichte der Evangelischen Gemeinde in Locarno einbezieht. (Zitat) "Ich bekenne, daß das Evangelium, die Episteln, der christliche Glaube, desgleichen das Gebet des Herrn, gut sind", läßt er Barbara sagen. "Aber unter der Gestalt des Guten führet ihr ein, was nicht gut, sondern Gott zuwider ist. Abgötterei führet ihr ein, wenn ihr saget, daß wir unsern Herrn Christum mit Fleisch und Blut in der Hostie sollen anbeten; da doch die Wahrheit das Widerspiel lehrt, nämlich daß wir Christum allein im Geist und in der Wahrheit anbeten sollen. Wolltet ihr wissen, wie ihr mit den Leuten umgehet! Gerade wie ein großer Herr, der einem andern Herrn Gift geben will, daß er ihm sein Reich nehme. Dasselbige zu thun nimmt er die beste Speise und legt das Gift darein. Also thuet ihr; in die gute Speise des Evangeliums, der Episteln des christlichen Glaubens und des Gebetes unseres Herrn leget ihr das Gift der Abgötterei (...)". (Ende Zitat)
Es ist anzunehmen, daß Barbara Muralta daraufhin verklagt wurde und gegen sie sogar ein Haftbefehl erging. Barbara soll um einen Augenblick Verzug bittend, mit Hilfe ihres Mannes durch eine geheime Türe entkommen sein.
Bernard von Muralt