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Die Muralt - Zum Selbstverständnis einer Familie

Als Gegenstück zu den "Bilder (-n) aus der Vergangenheit der Familie von Muralt in Zü-rich" entstand 1954 die kurzgefaßte Darstellung der geschichtlichen Entwicklung der Berner Linie seit ihrer Niederlassung in Bern.- Im Gegensatz zu den anderen, meist weitläufigen Werken zu unserer Familiengeschichte, wird der Werdegang der Berner Linie mit Kurzbiographien zu den noch vorhandenen Ahnenbildern beleuchtet.

Während sich die Muralt in Zürich - wie bereits festgestellt - auf der Suche nach Marktlü-cken in den freien Berufen des Kaufmanns und des Arztes, im Handel also und in der Medizin, etablierten, fand der Berner Zweig des Geschlechts sein Betätigungsfeld vornehmlich in der Politik, Diplomatie und im Militär.- In Bern wurde der Kriegsdienst als ehrenvolle Betätigung betrachtet, während in Zürich seit Huldrich Zwingli die Fremden Dienste verpönt waren.

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Hiernach in Streiflichtern eine Kurzpräsentation zum eben Gesagten.

Hans Bernhard I (1634-1710) Staatsmann, des Großen Rats, Hofmeister zu Königsfel-den (eine Vogtei 1. Klasse), des Kleinen Rats (1684), Mitstifter der Familienfonds (1681)

Johann Bernhard (1709-1780) Offizier in Bernischen Truppen, des Großen Rats, Schultheiss von Thun (1745), Deutscheckelmeister (1777) [Es handelt sich dabei um das Präsidium der Finanzkommission zur Kontrolle der Jahresrechnungen aller Landvögte und der Verwaltung von Kapitalanlagen des Staates im Ausland. Eine markante Persönlichkeit dessen Porträt und Brustbild im "Musé national Suisse - Château de Prangins" ausgestellt sind.]

Wilhelm Bernhard (1737-1796) im ausländischen Kriegsdienst, Major im Regiment von Erlach, des Großen Rats (1775), Landvogt zu Gottstatt, des Kleinen Rats, Oberkommandierender über die Bernischen Truppen in der Waadt, Welschseckelmeister (1789), Oberbefehlshaber (General) über die Schweizerischen Truppen mit Genf gegen Savoyen (1792).

Abraham Rudolf (1783-1859) Kadett im Schweizerregiment von Wattenwyl (1801), Übertritt in den holländischen Dienst (1814), Major im Regiment von Jenner, Festungs-kommandant von Groningen, der Provinz Utrecht und der Provinz Nordbrabant (1840), Generalmajor (1841). [Abraham Rudolf ist der Begründer der jetzt in der 8. Generation stehenden Holländer Linie; 1840 bewirkt er die Aufnahme in den Niederländischen Adel für sich und seine Nachkommen verbunden mit dem Titel 'Jonkheer'.]

Albrecht (1791-1848) im Bayrischen Chevaux-légers Regiment Leiningen (1808), mit Napoléon im Feldzug gegen Rußland (1812) - Moskau und Beresina. [Die Erlebnisse aus diesem Feldzug schreibt Albrecht in seinen Memoiren nieder, die im Familienarchiv aufbe-wahrt sind. Thomas Legler berichtet in seinem Buch "Die Beresina" vom Schicksal der Schweizertruppen und gibt damit eine willkommene Ergänzung zu Albrechts Erlebnissen.]

Robert Gaston (1878-1956) Berner Rechtsanwalt (Fürsprecher); gründet Carosserie-werk Gangloff in Bern. [Abgesehen davon, daß auch er am liebsten Berufssoldat geworden wäre, nimmt Robert Gaston in unserer Familiengeschichte eine Schlüsselstellung ein. Seiner glücklichen Ehe mit Pierrette Maurice aus Genf entspringen zwar 5 Kinder, aber leider nur Töchter. Mit seinem Vetter Raoul, der ihn kinderlos um einige Jahre überlebt, stirbt die Berner Linie in der Schweiz aus. In Holland blüht das Geschlecht weiter. Die älteste Tochter des Robert Gaston, Madeleine Elisabeth aus Bern, heiratet 1942 Robert Henri von Muralt aus Zürich. Mit diesem Ehebund verschmelzen die beiden Linien Zürich und Bern nach 500 Jahren und leben zu Teilen in uns Kindern und unseren Nachfahren weiter.

Beat Ludwig (1665-1749) Nach belletristischen und wohl auch philosophischen Studien in Genf tritt Beat Ludwig de Muralt für einige Zeit in französischen Kriegsdienst, den er bald verläßt, um auf Reisen die Lebensweise der verschiedenen Gesellschaftsklassen, de-ren Anschauungen kennenzulernen und seine so gewonnenen Erkenntnisse - insbeson-dere die Eigenart der Engländer - mit den entsprechenden Erscheinungsformen des französischen Geisteslebens zu vergleichen. Dies alles schildert Beat Ludwig in zwanglo-sen Briefen an einen fiktiven Freund - in den berühmten "Lettres sur les Français et les Anglais et sur les voyages". Dazu Otto v. Greyerz (Zitat): "Die Schrift war neu in ihrer Art; ein Versuch von unbewußter Genialität. An einen Vergleich zwischen Franzosen und Engländern dachte niemand, weil die Überlegenheit der Franzosen, fast könnte man sagen: ihre Vollkommenheit, außer Zweifel stand".

Mit seinem literarischen Werk wird Beat Ludwig in den geistig interessierten Kreisen sei-ner Zeit europaweit bekannt, beschäftigt und beeinflußt auch später zahlreiche literatur- und kulturgeschichtlich versierte Persönlichkeiten; unter ihnen J.J. Rousseau, Otto von Greyerz, Maria Huber, Francis Andrew Brown, Charles Gould und andere mehr. "Les Lettres de Monsieur de Muralt" - schrieb 1726 Jakob Vernet aus Paris - "sont fort goûtées ici par tous les gens de bon sens. Ceux qui déclament contre la corruption du goût et du style en France, se plaisent à relever ce livre-là comme un modèle de belle et nerveuse simplicité!"

Beat Ludwigs Werk würdigt Otto v. Greyerz abschließend mit den Worten (Zitat): "Kurz, die Lettres sur les Anglais et les Français bezeichnen den Beginn einer geistigen Bewe-gung von großer Tragweite. Von 1725 an datiert für uns jener Umschwung in der öffentlichen Meinung Europas, im Verlauf dessen England für längere Zeit an Ansehen und Einfluß gewann, was Frankreich verlor." (Ende Zitat)

Ohne dem exaltierten Treiben der Pietistensekte zu verfallen tritt Beat Ludwig als Anwalt ihrer Glaubensfreiheit auf, indem er für sie wie für sich selbst das Recht beansprucht, dem öffentlichen Gottesdienst fernzubleiben. Darob mit der Berner Obrigkeit in Konflikt geraten, wird Beat Ludwig 1701 des Landes verwiesen und sucht Zuflucht zuerst in Genf, dann in Solothurn bevor er nach unsäglichen Mühsalen ein Asyl im Fürstentum Neuenburg findet, wo er in Colombier ein Landgut hat. Ein Muralt erneut als Glaubensflüchtling.

Im hohen Alter, sechs Jahre nach dem Tode seiner ersten Frau, Margaretha von Watten-wyl, heiratet Beat Ludwig eine junge Zürcherin, Cleophea Rahn. Zusammen mit Albrecht von Haller und Karl Viktor von Bonstetten gehört Beat Ludwig von Muralt zu den bedeutendsten Persönlichkeiten des bernischen Geisteslebens seiner Zeit. (Bild weg)

Anhand der Lebensläufe der Zürcher und Berner Muralten läßt sich - grob skizziert und nebenbei gesagt - die bis heute fortlebende Spezialisierung der beiden Städte beobachten: Zürich als Hochburg des Handels, später der Finanzen und gewissermaßen der Medizin; Bern als Platz politischer, diplomatischer und militärischer Karrieren.

Bernard von Muralt

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